Ein „Klasseteam“ scharrt mit den Kufen

HARSEFELD. Die vergangene Eishockey-Regionalligasaison war „ein Wagnis mit tollem Ende“, wie Matthias Bergmann sagt. Deshalb hat der Abteilungsleiter des TuS Harsefeld das Tigers-Team wieder vielversprechend zusammengestellt. Das kann aber nicht spielen.

Die Corona-Pandemie hat gerade alles auf Eis gelegt. Ob überhaupt gespielt werden kann, ist in Harsefeld eine Frage der Zeit. Ab einem bestimmten Zeitpunkt lohnt es sich für die Gemeinde nicht mehr, die Eissporthalle zu betreiben, weiß Bergmann. Der Verband sei dagegen „recht entspannt“, wartet die Corona-Entwicklungen ab und würde dann noch so viele Spiele wie möglich durchziehen. „Jedes Spiel wäre ein Gewinn“, sagt Bergmann, die terminierten 28 Spiele wird es aber wohl nicht mehr geben. Die Eishockeysaison geht eigentlich von Oktober bis Ende März. „Es ist wirklich schade, da hat man eine so tolle Mannschaft zusammengestellt und kann nicht spielen“, sagt Bergmann. In der vergangenen Saison lockten die Tigers im Schnitt 400 Zuschauer in die Eissporthalle. In dieser Saison ließe das Hygienekonzept nur knapp 100 Zuschauer zu.

Nach dem Aufstieg in die Regionalliga, der höchsten Amateurklasse, nahmen die Tigers in der vergangenen Saison die sportliche wie finanzielle Herausforderung an. Bergmann baute sich unter anderem ein Netzwerk in Kanada auf und holte von dort potenzielle Verstärkungen. Menschlich waren die Kanadier ein Gewinn, vom spielerischen Niveau hatten sich die Harsefelder allerdings mehr erwartet. Auch der namhafte Trainer sei „ein Missverständnis“ gewesen, wie Bergmann zugibt. Mit Friedhelm Bögelsack war ein ehemaliger Profi, der es in die deutsche Eishockey-Hall-of-Fame geschafft hat, nach Harsefeld gekommen. Der wurde aber recht früh von Bergmanns Sohn Philipp abgelöst. Am Ende schafften die Tigers den Klassenerhalt, teilweise mit „spektakulären Siegen“.

Bergmann sieht sich bestätigt in der Vereinspolitik. Zumal der Weg beziehungsweise das Wagnis unausweichlich ist aufgrund der Ligastärke. Die Regionalliga hat heute das Oberliganiveau von vor einigen Jahren. Die positive Sponsoren-Entwicklung hilft. „Die Zusammenarbeit mit der lokalen Wirtschaft ist sehr gut“, sagt Bergmann. Und ein Unterstützer wie EWE sei natürlich „eine tolle Geschichte“. So hat Bergmann wieder seine Kontakte in Kanada genutzt, zudem haben die Tigers einen alten Bekannten als Trainer und insgesamt ein vielversprechendes Team aufgebaut.

Trainiert die Regionalliga-Mannschaft

Dieter Kinzel (61) hat die Regionalliga-Mannschaft übernommen. Er trainierte die Tigers schon von 1996 bis 2005, mit kurzen Unterbrechungen, sehr erfolgreich. Seit August hat er die Mannschaft schon fit gemacht. Der ehemalige DDR-Nationalspieler und WM-Teilnehmer arbeite sehr strukturiert, sei eine Führungspersönlichkeit und habe sehr viel Erfahrung in der Regional- wie Oberliga, sagt Bergmann. „Jeder will Kontinuität auf der Trainerposition. Der Erfolgsdruck ist groß, aber die Entwicklung steht im Vordergrund“, sagt Bergmann und hofft auf eine lange Zusammenarbeit.

Konstantin Ljubobratets ist ein Neuzugang aus Estland. Foto: Struwe

 

Mit Konstantin Ljubobrates stellte sich ein technisch versierter Stürmer aus Estland selbst vor bei den Tigers, die den 25-Jährigen gern aufgenommen haben. Er spielte zuletzt für die Weserstars Bremen. Die Vita ist ein Versprechen. Ljubobrates war sehr erfolgreich mit den U18- und U20-Nationalmannschaften Estlands, spielte in Lettland, den USA (Dallas), Schweden und war zuletzt drittbester Scorer der Regionalliga Nord.

„Coup auf dem Transfermarkt“

Als „Coup auf dem Transfermarkt“ bezeichnen die Tigers die Verpflichtung des Kanadiers Stewart Parnell. Der 21-Jährige spielte nur in den höchsten kanadischen Juniorenligen und wurde regelmäßig ins All-Star-Team gewählt. „Stewart verkörpert genau den Spielertyp, den wir für die Offensive gesucht haben“, sagt Bergmann.

Ebenso aus Kanada kommt der neue Torhüter Adam Beukeboom. Der 25-Jährige setzte sich in den nordamerikanischen Topligen für Junioren durch, schaffte aber nicht den ganz großen Sprung. Zuletzt spielte er in Island und holte mit seinem Team die Meisterschaft in der Island Hockey League. Beukeboom wurde zum wertvollsten Spieler und besten Torhüter der Saison gewählt. In Harsefeld soll er sich mit Tim Poppe und Lars Wolfram im Tor abwechseln. „Im Eishockey ist die Torhüterposition eine Schlüsselposition. Ich denke, dass wir hier nun sehr gut aufgestellt sind“, sagt Bergmann.

Die Vertragsverlängerungen mit Yannick Maximilian Henry, Marc Meinhardt und Guillaum Vachon sind für die Tigers ebenso ein Erfolg. Vachon erzielte 12 Tore und bereitete 15 vor und war damit der Topscorer der Tigers in der abgelaufenen Meisterrunde. Meinhardt war der drittbeste Scorer der Tigers. „Die Neuen sind richtig gut und wir haben insgesamt ein Klasseteam“, sagt Bergmann. Doch nun können die Tigers nicht durchstarten und Bergmann weiß: „Ab einem bestimmten Zeitpunkt macht es keinen Sinn mehr.“

40 Jahre Eishockey im TuS Harsefeld – eine Chronik

HARSEFELD. 1980 wird die 13. Sparte im Turn- und Sportverein Harsefeld gegründet: die Eissparte. Am 15. Dezember 1979 wurde die von der Samtgemeinde Harsefeld getragene Eishalle eröffnet. Dadurch ergibt sich für den TuS Harsefeld die Möglichkeit, eine Eissportabteilung einzurichten. Diese Abteilung setzt sich Anfang Januar 1980 aus vier verschiedenen Einzelsparten zusammen: Eiskunstlauf, Eistanz, Eisstockschießen und Eishockey. Die Pioniere der ersten Stunde sind Heino Evers (Spartenleiter) und Lindrich Myslevic (Trainer). Sechs Jahre lang baut Heino Evers unterstützt von seiner Frau Karin die Eishockeysparte kontinuierlich auf. Eine erste Krönung gelingt schon 1984 mit der Landesliga-Meisterschaft.

Kapitän und Leistungsträger damals ist Detlef Schnackenberg. Er gründet zudem die 1b- und 1c-Mannschaft, und von 1994 bis 1996 ist er als stellvertretender Spartenleiter mit einer der aktivsten Weichensteller im Verein.

Die Betreuung und das Training der Schüler- und Jugendmannschaft übernimmt 1983 Günter Grotzke mit seiner Frau Ramona – mit einem goldenen Händchen. 1987/88 wurden die Schüler Niedersachsenmeister. In der Aufstiegsrunde zur Deutschen Schülermeisterschaft belegt das Team einen guten 3. Platz. Es folgte die Vizemeisterschaft mit nur einem Punkt Unterschied zum Meister der Niedersachsenliga. 1988/89 wurde die Jugendmannschaft Niedersachsenmeister und 1989/90 brachte die Schülermannschaft den Meistertitel nach Harsefeld. Drei Meistertitel, eine Vizemeisterschaft und zweimal der 3. Platz in der Vorrunde zur Deutschen Meisterschaft der Schüler (87/88) und Knaben (88/89) sind auf die Trainingsarbeit von Günter Grotzke zurückzuführen. 1991 beendet er nach 10 Jahren seine erfolgreiche Trainertätigkeit. Von 1996 bis 1999 kann Spartenleiter Bernd Kutkowski ihn als Jugendwart zurückgewinnen. Von 2011 bis 2016 leitet Günter Grotzke die Lauflernschule der Tigers, bevor er sich endgültig zurückzieht.

Einen weiteren Meilenstein in der Geschichte des Harsefelder Eishockeys setzt Reinhard Förster als Spartenleiter von 1989 bis 1993. Aufgrund der stetig wachsenden Mitgliederzahlen muss der Verein neu organisiert werden. Jugendwartin, Sportwartin, Zeugwartin, Kassenwartin, Herrentrainer, Nachwuchstrainer und zwei Betreuer bilden jetzt eine administrative Einheit. In der Sommerpause erarbeitet ein vierköpfiger Ausschuss eine Geschäftsordnung. Dies führt zur Schaffung neuer Gremien und Ämter. Es werden je ein Jugend- und Herrenausschuss gebildet, die die Belange der jeweiligen Altersgruppen vertreten. Neue Posten sind Herrenobmann und Pressewart. Diese Ausrichtung hat bis heute Bestand.

1995 kommen mit Bernd Kutkowski (Spartenleiter) und Egbert Bollmann (Pressewart) zwei mutige, engagierte Visionäre in den Vorstand. Durch die überdurchschnittlich gute Pressearbeit von Bollmann ist die Eishockeyabteilung jährlich in mindestens 16 Zeitungen vertreten. Dadurch wachsen auch die Zuschauerzahlen.

Kutkowski steht vor einer besonderen Herausforderung: Der Eishockeybund erlaubt wegen des Bosman-Urteils fortan den Einsatz von vier EU-Ausländern und zwei Nicht-EU-Ausländern pro Mannschaft. Das führt dazu, dass sich alle Vereine von der DEL bis in die Regionalliga kräftig auf dem internationalen Spielermarkt betätigen. Trotz bescheidener finanzieller Mittel muss der TuS starke Spieler gewinnen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Im Februar 1997 kommt mit Dieter Kinzel ein neuer Trainer.

1995/96 werden die Knaben Niedersachsenmeister und 1996/97 Vizemeister, 1997/98 feiert die 1b die Landesliga-Meisterschaft.

1999 werden fünf Ausnahmetalente verpflichtet: Ludek Stehlik, David Bauer, Miroslav Sakmierda, Andreas Thebus und Lars Wiese. Mit dem Ausnahmetorwart Jens Rutenberg wird verlängert, Stefan Tillert und die gerade erst 16-jährigen Zwillinge Alexander und Marek Gabriel werden integriert. Der absolute Höhepunkt in der Geschichte des Harsefelder Eishockeys ist genau vor 20 Jahren: die 1. Herrenmannschaft von Coach Dieter Kinzel sichert sich in der Regionalliga Nord (Saison 1999/2000) die Vizemeisterschaft und somit die Teilnahme an den Aufstiegsspielen in die Profiliga. Statt aus Hamburg und Bremerhaven kommen die Kontrahenten nun aus Frankfurt, Hamm, Lahntal, Dorsten oder Herford.

In den kommenden sieben Jahren wechseln dann beinahe jährlich die Spartenleiter, bis 2006 Peter Falten das Amt übernimmt und zehn Jahre die Geschicke des Vereins lenkt. Der bewusste Verzicht auf ausländische Leistungsträger und auswärtige Trainer sowie der Generationswechsel innerhalb der 1. Mannschaft führen dazu, dass sich die Tigers im unteren Tabellenbereich der Verbandsliga (vorletzter Platz) wiederfinden. Auch die Zuschauerzahlen sinken auf etwa 140 Fans pro Spiel. In den beiden Folgejahren reicht es nur für den 5. Tabellenplatz in der Verbandsliga Nord.

Erfreulicher läuft es bei den TuS Harsefeld Tigers 1b (Rolling Tigers), die den Meistertitel der Landesliga Niedersachsen in den Saisons 2006/07 und 2007/08 nach Harsefeld holen.

Zur Saison 2015/16 entscheiden sich die Verantwortlichen nach sportlich nicht so erfolgreichen Jahren, einen auswärtigen Trainer und ausländische Spieler zu engagieren. Der Coup glückt: In der Hauptrunde belegen die Tigers den 2. Platz in der Gruppe B und werden in der Meisterrunde Vierter der Regionalliga Nord.

Seit Mai 2016 leiten Jörg Lisch (bis 2018) und Matthias Bergmann die Eishockeysparte. Aus finanziellen Gründen starten die Tigers in der Verbandsliga. 2018/19 gelingen Rolf Corleis und Assistenztrainer Philipp Bergmann mit ihrem Team sensationelle Kantersiege (12:0, 8:0, 12:3, 12:0, 11:1, 11:1) 20 Spiele, 15 Siege, 117 Tor. Der Lohn ist der Aufstieg in die Regionalliga.

Frauenpower: Zwei Frauen übernahmen innerhalb der 40 Jahre das Amt der Spartenleiterin: 1988/89 Gerda Hoppe und 2001/02 Rosemarie (Schucher) Krumm. Außerdem gab es im Nachwuchs schon immer viele und erfolgreiche Mädchen und Frauen: Nationalspielerin Ronja (Richter) Jenike und Bundesligaspielerin Ronja (Müller) Helms. 2018 folgte dann die Gründung der Damenmannschaft. In den Mannschaften der Tigers spielen und trainieren zurzeit 56 Sportlerinnen zwischen 4 und 56 Jahren.

Mitgliederentwicklung: 16 Mitgliedern gab es bei der Gründung, heute sind es 283.

Nachwuchs: Zu der Saison 2016/2017 wurde ein neues Nachwuchskonzept erarbeitet. Die Lauflernschule sprach sich schnell in der Region herum, sodass der Run auf ein Schnuppertraining seit vier Jahren ungebrochen anhält. Der positive Nebeneffekt sind volle Jahrgangsmannschaften und für besonders talentierte Eishockeyspieler, die Einladung zum Auswahltraining des Niedersächsischen Landesverbandes.

Quelle: Stader Tageblatt | von Jan Bröhan